Leitantrag Kreisparteitag DIE LINKE. Kreisverband Görlitz

Entwurf des Kreisvorstandes vom 14. Oktober 2020

Änderungsanträge können im Vorfeld des Kreisparteitages per Mail an xbagnxg@qvryvaxr-tbreyvgm.qr oder postalisch an DIE LINKE. Kreisverband Görlitz, Schulstraße 8, 02826 Görlitz gesendet werden.

Vorangestellt: Corona und politische Arbeit

 Wir sind uns bewusst, dass Corona viele Existenzen bedroht. Kurzarbeitergeld, fehlende Aufträge, vorübergehende Schließungen von Betrieben, Pflegeeinrichtungen, Schulen und Kindergärten sind an uns allen nicht spurlos vorbeigegangen. Gerade in der Pandemie hat sich aber gezeigt, wie wichtig unsere linken Forderungen sind. Deswegen gilt: unsere Ziele sind aktueller und notwendiger denn je! Für den Landkreis Görlitz haben wir diese in folgenden inhaltlichen Punkten aufgeführt. Sie sollen uns Orientierung für eine gemeinsame Basis der politischen Zusammenarbeit geben.

 Politisches Umfeld: Probleme aufzeigen und mit Selbstbewusstsein und Mut angehen!

Der Landkreis Görlitz hat sich entwickelt: die wirtschaftliche Lage hat sich stabilisiert, Unternehmen haben sich neu angesiedelt und formiert. Die Hochschule Zittau/Görlitz sorgt für Anziehungskraft für junge Menschen. Kultureinrichtungen und Festivals strahlen weit über den Landkreis hinaus. Die Verbindungen über die Grenzen nach Polen und Tschechien bauen sich kontinuierlich aus.

Allerdings ist der östliche Landstrich Sachsens weiterhin von niedrigen Löhnen, wenig attraktiven Perspektiven für junge Menschen und Überalterung geprägt. Zwar stiegen – wie in ganz Sachsen – in den letzten Jahren auch in unserem Landkreis die durchschnittlichen Einkommen der Haushalte. Dennoch rangiert unser Landkreis mit 1.212 Euro monatlichem Nettoeinkommen noch deutlich unter dem sächsischen Landesmittel und behauptet damit ganz knapp den vorletzten Platz aller 13 Kreise vor dem Erzgebirgskreis. Auch bei der Arbeitslosenquote ergibt sich ein ähnliches Bild: Trotz Abwanderung verzeichnet der Landkreis prozentual die meisten Arbeitslosen im Landesvergleich. Wenn dann der Bund seine Zahlungen für Hartz-IV-Leistungen kurzerhand halbiert, dann kostet das den Landkreis mehrere Millionen Euro zusätzlich. Wer aber im Berufsleben wenig verdient, bekommt noch weniger Rente und wird häufiger zum Sozialfall. Ein Teufelskreis aus ungünstiger Sozialstruktur und kommunaler Finanzschwäche schlägt auf die Leistungsfähigkeit des Landkreises zurück. Regelmäßig verhängt die Landkreisverwaltung Haushaltssperren, weil steigende Sozialausgaben – beispielsweise für Hilfen zur Pflege für Ältere oder Hilfen zur Erziehung für Eltern – den Haushalt sprengen.

Diese Benachteiligungen sind nicht naturgegeben, sondern reales Ergebnis von politischem Versagen der Vergangenheit! Sie sind eine Ursache dafür, dass im Landkreis die AfD besonders hohe Zustimmungswerte erzielt. Dazu verunsichern Herausforderungen um den Strukturwandel im Rahmen der Energiewende im Norden des Landkreises sowie immer wieder wirtschaftliche Erschütterungen in Traditionsunternehmen wie etwa im Schienenfahrzeug- oder Industrieanlagenbau die Menschen im Landkreis.

Digitalisierung, neue Infrastruktur und moderne Bildungseinrichtungen sowie die Investitionen in die Lebensqualität, wie wohnortnahe Einkaufsmöglichkeiten, Kitas, Schulen, kulturelle Angebote und ein guter und erschwinglicher ÖPNV könnten anziehend wirken. Was wir für eine gute Entwicklung des Landkreises neben Strukturgeldern außerdem benötigen sind Optimismus, Selbstvertrauen und mutige Zukunftsideen. Zusammen mit fairen Löhnen, guten Tarifverträgen und mit den Qualitäten, die der ländliche Raum zu bieten hat, kann diese Region durchaus erfolgreich werben für einen spannenden „Aufbruch im Umbruch“. Ein besonderer Schwerpunkt liegt für uns dabei in dem Einbezug der Bürger*innen in die politischen Entscheidungen auf allen Ebenen.

Für uns Linke braucht es daher immer wieder die Solidarität mit den Gewerkschaften und ihren Lohnkämpfen, den Kampf für eine ökologische und friedliche Zukunft, in der Kriegsmanöver keinen Platz haben, wir unsere Umwelt als unseren Lebensraum gesund erhalten und damit  die Abkehr von fossilen Rohstoffen unterstützen. Wir wollen Menschen willkommen heißen und uns gegen jeden Rassismus, Antisemitismus und Faschismus gemeinsam stellen egal ob in den Gemeinderäten, auf der Straße oder auch in den Debatten in den (sozialen) Medien. Wir wollen, dass sich mehr Bürger*innen im Landkreis in Zukunftsthemen einbringen können und direkt politische Entscheidungen beeinflussen können.

Im Herbst 2021 findet die nächste Bundestagswahl statt. Vor vier Jahren fuhr DIE LINKE in unserem Wahlkreis mit nur 14% der Zweitstimmen ihr bislang schlechtestes Ergebnis infolge der veränderten politischen Lage ein. Der AfD gelang es, den CDU-Kandidaten zu verdrängen und das Direktmandat zu erringen. Dieses Ergebnis schmerzt heute noch und es sollte unser Ziel im nächsten Jahr sein, wieder mehr Menschen als 2017 (21.534) für unsere Überzeugungen zu gewinnen. Wir wissen, dass das Erscheinungsbild unserer Partei auf Bundesebene auch auf unser Ergebnis großen Einfluss hat. Aber im kommenden Wahlkampf sollte es uns gelingen, mit klar formulierten Zielen, sinnvollen Aktivitäten und optimistischem Auftritt zu zeigen, dass DIE LINKE als soziale Stimme die Interessen und Rechte der Menschen vertritt und im Bundestag gebraucht wird.

Wir LINKE müssen uns als Partei der Zukunft positionieren: nur mit uns wird es möglich sein, den ausbeuterischen Kapitalismus zu überwinden  – hin zu einem gemeinwohl-orientierten guten Leben für alle!

 

Innere Verfasstheit des Kreisverbands: Wann, wenn nicht jetzt – Strukturwandel aktiv und ideenreich gestalten

Die Veränderungen, die uns umgeben, finden sich zum Teil auch in unserem Kreisverband wieder.  Der Kreisvorstand, die Ortsverbände und die Basisorganisationen spüren es immer mehr: wir werden älter und wir werden weniger. Einiges funktioniert einfach nicht mehr so wie früher und dennoch sind wir weiterhin da. Es gibt junge Menschen, die sich engagieren wollen. Die brauchen aber auch Freiräume, um eigene Erfahrungen zu sammeln. Konstruktive Kritik aber auch „machen lassen“ gehören dazu.

Die Partei verändert sich und es ist keine Frage des „Ob“, sondern des „Wie“. Liebgewonnenes wird nicht mehr stattfinden können, dafür gibt es die Möglichkeit neue Wege zu gehen und neue Schätze zu bergen. Wir sind eine Partei, die schon einige Höhen und Tiefen durchgemacht hat. Wir sind kampferprobt! Doch wenn wir nicht auf die Kompetenz der Wandlungsfähigkeit setzen, werden wir bald nicht mehr relevant sein.

Wir müssen uns daher folgende Fragen stellen:

Was können wir vor Ort noch leisten? Was können wir uns noch finanziell leisten? Was wird benötigt? Wo wollen wir hin? Wo liegt im Abschied auch die Kraft für einen neuen Aufbruch?

Wir als Kreisvorstand haben uns daher Anfang des Jahres auf den Weg gemacht, um Strukturdebatten vor Ort zu führen. Wir laden alle Genoss*innen ein, diese Debatte mit uns und in euren Ortsverbänden weiter zu führen.

Das Ziel der Strukturdebatte, die parallel sowohl auf Bundes- als auch Landesebene geführt wird, besteht darin, unsere Partei auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten und ihre finanzielle Basis nachhaltig zu sichern. Das ist wichtig, denn eine Partei ist eben keine eigennützige Heimstatt für Gleichgesinnte. Aufgabe einer Partei ist es, politische Positionen ihrer Mitglieder und Wähler in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen und als Sachwalter von Bürgerinteressen Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Alle Kraft, alle Strukturen und Finanzen müssen zuerst der Erfüllung dieser wichtigen gesellschaftlichen Funktion in der parlamentarischen Demokratie dienen.

An den Kreisvorstand ergeht deshalb der Auftrag, die Debatte zur Anpassung von Strukturen im Kreisverband an die veränderten politischen und finanziellen Möglichkeiten der Partei im Landkreis Görlitz trotz erschwerter Bedingungen in Zeiten von Corona weiter zu intensivieren und schrittweise bis Ende 2021 umzusetzen. Die Ortsverbände unterstützen den Kreisvorstand bei seinen Konsolidierungsmaßnahmen durch die Einbringung eigener Vorschläge und die Umsetzung von Strukturbeschlüssen. Ziel muss der kontinuierliche Aufbau unserer Rücklagen sein, um die Herausforderungen der nächsten Jahre entsprechend finanzieren zu können. Der organisatorischen und finanziellen Absicherung der Bundestagswahlen und kommenden Wahlkämpfen gilt dabei unsere besondere Aufmerksamkeit.